Privatkopie/Leerträgervergütung

Erfahrungsgemäss wird nur der kleinste Teil der Speicherkapazitäten benutzt. Warum wird die Gebühr auf MP3-Players oder iPods auch auf den leeren Speicherplatz erhoben?

Für die Berechnung der Tarife wird von wissenschaftlichen Erhebungen ermittelt, wie viel Speicher durchschnittlich für geschützte Werke genutzt wird, und nur darauf wird eine Vergütung erhoben. Der Umfang privater Fotos und Dokumente sowie bezahlter Werke aus Online-Stores wie iTunes wird in der Tarifberechnung berücksichtigt. Dazu kommt häufig eine degressive Tarifgestaltung: Je mehr Speicherplatz, desto tiefer ist der Ansatz.

Tatsächlich wird ein GB Speicherplatz immer billiger, und parallel dazu sinkt auch die Vergütung für die Urheber. Im ersten Tarif für bespielbare DVDs im Jahre 2003 kostete 1 GB noch 40 Rappen, heute sind es nur noch 19 Rappen für mehrfach bespielbare bzw. 7 Rappen für einmal bespielbare DVDs.

Offenbar planen die Verwertungsgesellschaften eine weitere Ausweitung der Gebührenpflicht auf Speicherkarten und externe Festplatten. Warum werden die Gebühren immer mehr ausgedehnt?

Die im Urheberrechtsgesetz geregelte Vergütung zugunsten der Kunstschaffenden wird seit 1992 pauschal auf jene Speichermedien erhoben, die zum Kopieren von urheberrechtlich geschützten Werken gebraucht werden. Das Parlament hat es bewusst so formuliert, dass das Gesetz unabhängig von der gerade aktuellen Technologie gilt. Zu Beginn waren dies Kassetten, heute eher CDs, Harddisk-Recorder oder MP3-Players. Grundsätzlich ist es so, dass jede neue Technologie zur privaten Speicherung von geschützter Musik, geschützten Filmen und Büchern vergütungspflichtig ist. Damit die Verwertungsgesellschaften eine Vergütung beantragen können, müssen sie jedoch zuerst nachweisen, dass die Medien zu diesem Zweck benutzt werden. Es ist denkbar, dass künftig ein völlig neues System für die Entschädigung der Urheber gefunden und etabliert wird. Zurzeit ist jedoch weltweit noch keines in Sicht.


Mit der Erhöhung der Speicherkapazitäten nimmt die SUISA immer mehr ein, ohne dass sie etwas machen muss. Wieder einmal mehr ist der Konsument der Leidtragende!

Zwar hat die SUISA in den letzten Jahren zufriedenstellende Betriebsergebnisse verzeichnet. In den Resultaten zeigt sich jedoch, dass sich die Musiknutzung stark verändert. Die Einnahmen der Künstler aus Tonträgerverkäufen nehmen seit Jahren rapide ab. Stattdessen werden heute digitale Files kopiert, sowohl online gekaufte wie auch solche aus illegalen Quellen im Web. Der Verkauf von Speichermedien zum Kopieren dieser Daten ist gestiegen, und damit parallel zum Siegeszug des iPods auch die Vergütungen für die Privatkopie. Die Einnahmen stagnieren jedoch bereits wieder, da sich ein Trend abzeichnet weg vom Kopieren und hin zum Streaming. Die Konsumentinnen und Konsument sind nicht Leidtragende, sondern Gewinner aus den neuen technischen Kopiermöglichkeiten. Noch nie war Kopieren so einfach und so billig, denn die Preise der Speichermedien sinken rapide. Entsprechend sind auch die Leerträgertarife (LTV) in den letzten Jahren um bis zu 400% gesunken. Dazu einige Beispiele:

Diese Leerträgervergütungen sind doch ein Ding von gestern und nicht mehr zeitgemäss; sie passen nicht in unsere digitale Welt und gehören abgeschafft. Oder etwa nicht?

Neue Technologien wie Breitband-Internet und Smartphones erlauben uns heute, überall und jederzeit auf künstlerische Werke zuzugreifen. Doch auch die innovativsten technischen Neuerungen brauchen Inhalte, um Interesse zu finden. Kunst und Kultur sind die Basis für eine kreative Wirtschaft. Die Kulturwirtschaft ist aber – wie jeder andere Wirtschaftszweig – auf finanzielle Rückflüsse aus der Nutzung kultureller Güter angewiesen. Wenn man damit nichts mehr verdienen kann, wer will dann noch Arbeit und Geist investieren in neue Musik, Filme, Fotografie oder Literatur? Die Leerträgervergütung ist ein einfaches System, das den Kulturschaffenden einen angemessenen Ausgleich für das private Kopieren ihrer Werke sichert. Sie basiert auf dem Verursacherprinzip und kommt ohne Kontrollapparat aus, der in die Privatsphäre des Einzelnen eindringt. Möglicherweise kann auch ein anderes System diesen Anforderungen genügen, bislang ist noch keine solche Alternative bekannt oder gar erprobt. Bis dahin braucht es die Leerträgervergütung.

Heute gibt es doch Digital Rights Management Systeme (DRM), welche solche pauschalen Vergütungssysteme überflüssig machen. Wofür braucht es denn eine solche Leerträgervergütung überhaupt noch?

DRM-Systeme haben sich nicht im erwarteten Ausmass durchgesetzt, sie sind im Gegenteil weitgehend wieder abgeschafft. Soweit es sie gibt, sind es meist geschlossene Systeme, die nicht oder nur beschränkt mit einem anderen System verbunden werden können und Probleme bei der Archivierung schaffen. Der Zugang zu allen Werken und Leistungen ist für die Nutzer damit keineswegs gewährleistet. DRM-Systeme können auch unter Aspekten des Persönlichkeitsschutzes problematisch sein. Weder in der Musikwelt noch in einem anderen Bereich hat sich DRM durchsetzen können, und die vier grossen Major-Labels verkaufen ihre Musik im Internet über zahlreiche Plattformen ohne Kopierschutz.

Die Schweizer Verwertungsgesellschaften lehnen DRM aus den genannten Gründen ab. Konsumenten sollen für den Privatgebrauch ungehindert Kopien herstellen können, und die Urheber sollen dafür durch ein geeignetes System eine Vergütung erhalten.

Die Speichermedien werden immer grösser, und damit steigen die Urheberrechtsgebühren ins Unermessliche. Sollen wir bald mehr an die Urheber als für das Speichermedium selbst bezahlen?

Diese Hochrechnung ist falsch, weil sie von einem fixen Ansatz ausgeht. Die Entschädigungen je Speichereinheit sinken jedoch laufend, da die Tarife regelmässig mit den Nutzerverbänden neu verhandelt werden. Eine paritätisch besetzte Schiedskommission entscheidet über den Tarif. Ihr Entscheid kann vor Bundesverwaltungsgericht gezogen werden, in letzter Instanz entscheidet das Bundesgericht. Damit ist auf legalem Weg eine angemessene Entschädigung garantiert.

Den steigenden Speicherkapazitäten wird auch auf einem zweiten Weg begegnet. Die Tarife sind nämlich degressiv gestaltet – je mehr Speicher, desto tiefer ist der Ansatz. Ab 32 GB beträgt er etwa für ipods aktuell CHF –.30/GB.

Adrian Frutiger

«Ich könnte das, was ich gerne mache, ohne die SUISA nicht machen. Denn von der Produzentenseite her wird für die Musik nicht viel bezahlt. Die Verwertung macht deshalb einen grossen Anteil meiner Einkünfte aus.»